Österreichs Olympia-Rodler haben in Sigulda ihre Suche nach der optimalen Linie und dem richtigen Set-up gestartet. Nach zehn intensiven Trainings- und Testtagen auf der EM-Bahn von 2021 erfolgt am Samstag die Rückreise nach Innsbruck. Der nächste Lehrgang ist im deutschen Altenberg geplant.
In der Regel starten Österreichs Kunstbahn-Asse in Lillehammer ins Eistraining. Die Bahn ist aufgrund ihrer überschaubaren Tücken prädestiniert, um den Rost abzuschütteln und harmonisch in Fahren zu kommen. Die Regel wurde von Corona ausgehebelt, anstelle von Norwegen, wo die Auflagen einen Trainingskurs unmöglich machten, reiste das ÖRV-Team mit einem Tour-Bus nach Lettland, um im Eiskanal von Sigulda die ersten Trainingskilometer abzuspulen. Die EM-Bahn von 2021 gilt als eine der schwierigsten und anspruchsvollen im Weltcup, der Einstieg ins Eistraining fiel deshalb bewusst verhalten aus. Zu Beginn wurden sämtliche Schlitten vom Damenstart weggeschickt, die Doppelsitzer absolvierten ihre ersten Läufe auf Einsitzern. In der zweiten Phase wurde die komplette Bahn befahren und die Intensität sukzessive nach oben geschraubt.
Rückkehr auf die Unglücksbahn
Besonders emotional verlief das Comeback für Thomas Steu und Lorenz Koller, die am 22. Jänner an Ort und Stelle schwer zu Sturz gekommen waren. Während die Folgen für Koller mit blauen Flecken und Prellungen überschaubar war, startet Steu mit zwei Metallplatten und 25 Schrauben, die zur Fixierung des Schien- und Wadenbeinbruchs notwendig waren, in die Saison. Körperlich voll im Saft, gilt es für das Duo vor allem die mentale Komponente in den Griff zu bekommen. Denn unabhängig der schmerzhaften Erinnerungen zählt die auf Stelzen stehenden Kunsteisbahn im Baltikum generell nicht zu den Lieblingsstrecken der amtierenden Vize-Europameister. Während sich der Vorarlberger und sein Tiroler Untermann stückweise heranarbeiteten, zeigte das im Vorjahr neu formierte Duo Yannick Müller und Armin Frauscher mit schnellen Startzeiten und sauberen Läufen auf. Juri Gatt und Riccardo Schöpf, die bis zur Weihnachtspause in den Trainings- und Rennbetrieb der Arrivierten integriert sind, ließen ihr Potential erkennen, für die Junioren hat das Sammeln von Erfahrungen Priorität.
Davon zu Genüge hat Wolfgang Kindl, mit 32 Jahren der Dienstälteste im Nationalkader. Der Doppel-Weltmeister von 2017, der seine insgesamt 15. Weltcupsaison vor der Brust hat, fand sich am Schnellsten zu Recht, auch Olympiasieger David Gleirscher und Bruder Nico kamen ansprechend auf Zug. Gleiches gilt für Lisa Schulte, die das Programm im Gegensatz zu ihren Teamkolleginnen voll durchziehen konnte. Hannah Prock wurde von Nackenproblemen eingebremst, Madeleine Egle ist aufgrund ihrer Schulterverletzung beim Startvorgang ebenso gehandicapt ist wie Reinhard Egger.
Das Team tritt am Samstag die Rückreise nach Österreich an, kommende Woche wird das Kraft- und Spezifiktraining in Innsbruck forciert, anschließend sind je eine Trainingswoche auf den Bahnen in Altenberg und Königssee geplant. Ein etwas anderes Programm fährt David Gleirscher, der am 24. Oktober nach Peking fliegt, um im Rahmen der FIL-Homologierung die Olympiabahn von 2022 zu testet. Für den ersten Probelauf wurden vom internationalen Rodelverband lediglich sechs Schlitten nominiert. Die verbleibende Zeit bis zum Weltcupauftakt in Igls (28./29.11.) trainieren die Schützlinge von Cheftrainer und Sportdirektor Rene Friedl auf ihrer Heimbahn.
Rene Friedl (ÖRV-Cheftrainer & Sportdirektor): „Die Vorbereitung auf den Trainingskurs waren nicht einfach, wir hatten ursprünglich anders geplant und sind sehr dankbar mit der Unterstützung des lettischen Verbandes hier trainieren zu können. Die Bahn ist von Haus aus technisch und körperlich sehr herausfordernd, das erschwert den Einstieg nach der langen Rodelpause, aber die Athleten meistern das ausgezeichnet. Die Bahn ist in einem sehr guten Zustand, wir hatten schon Zeiten die nahe am Bahnrekord waren, insgesamt sind wir sicherlich auf einem guten Weg. Steu/Koller haben meinen größten Respekt, sie haben sich mit der Situation exzellent auseinandergesetzt, sind dabei sich die Dinge mit viel Fleiß zu erarbeiten und beißen sich super durch. Am Samstag reisen wir zurück nach Innsbruck, der weitere Plan bis zum Saisonauftakt steht, bleibt zu hoffen, dass wir ihn auch nach Wunsch umsetzen können.“
Thomas Steu: „Vor den ersten Fahrten habe ich schon sehr viel Respekt gehabt, aber ich denke das ist normal. Die Schiene, die wir im Sommer extra für Sigulda gebaut haben, funktioniert leider nicht. Wir sind deshalb wieder auf altes Material umgestiegen, das uns mehr Sicherheit bringt und haben in erster Linie versucht Konstanz in unsere Läufe zu bekommen. Hinten raus war es schon wieder ganz brauchbar.“
Lorenz Koller: „Wir sind gleich im ersten Trainingslauf an derselben Stelle wie im Jänner zu Sturz gekommen, spätestens da ist mir klar geworden, dass es nicht ganz so einfach wird wieder ins Rodeln rein zu finden, speziell auf dieser Bahn. Der Weg zurück ist definitiv nicht einfach, aber wir lassen da nicht locker und sind absolut zuversichtlich, wieder an alte Stärke anschließen zu können.“
David Gleirscher: „Wie jedes Jahr in dieser Phase steht neben den fahrtechnischen Elementen das Testen des Materials, das wir im Sommer gebaut haben, im Vordergrund. Da ich aufgrund der Homologierung in Peking die Trainingskurse in Deutschland versäume, ist es für mich umso wichtiger jeden Lauf optimal zu nützen. Die ersten Erkenntnisse waren sehr positiv.“
Wolfgang Kindl: „Wir haben uns alle sehr gefreut, dass es endlich losgeht und sind froh über die Möglichkeit hier rodeln zu können. Ich bin mit einem fast komplett neuen Schlitten am Start, der sehr gut anzeigt. Es waren schon einige sehr brauchbare Läufe dabei, mir taugt die Bahn, von mir aus kann es gerne so weiter gehen.“
Nico Gleirscher: „Das intensive Sommertraining hat sich bezahlt gemacht, so schnell bin ich zu dieser Jahreszeit noch nie gestartet, auch in der Bahn läuft es nach Wunsch. Die neue Schale trägt ihres dazu bei, ich fühle mich rundum wohl und nehme viel Positives vom ersten Eistraining mit.“