Welches fußballbegeisterte Kind träumt nicht von der deutschen Bundesliga? Für die Zirlerin Lilli Purtscheller geht dieser Traum in Erfüllung. Nach Stationen beim FC Zirl, Wacker Innsbruck und zuletzt Sturm Graz wechselt die 32fache ÖFB-Nachwuchs Teamspielerin in die deutsche Bundesliga. sportszene.tirol bat die 19-Jährige zum Gespräch.
Lilli, gratuliere zu deinem Wechsel in die deutsche Bundesliga. Wie kam`s dazu?
Der erste Kontakt mit Essen war nach meinem Länderspieldebüt. Nach den ersten Gesprächen wusste ich sofort, dass die SGS der perfekte Verein für mich ist. Da meine Teamkollegin Vali (Valentina Kröll, Anmerk.) auch zur SGS wechselt, war mir sofort klar, dass ich den Schritt ins Ausland wagen werde – zu zweit ist es doch einfacher.
Dabei stand der Gang ins Ausland nicht ganz oben auf deiner Agenda, oder?
Das stimmt! Eigentlich wollte ich, da ich aus einer langen Verletzungspause kam, noch eine Saison bei Sturm Graz bleiben. Dass die Rückrunde dann gleich so gut verlaufen ist war natürlich sehr schön. Deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Veränderung. Und Deutschland ist perfekt für den ersten Wechsel ins Ausland.
Die SGS Essen beendete die abgelaufene Bundesliga-Saison auf Rang sieben. Was weißt du sonst noch über deinen neuen Verein?
Die Mannschaft hat einen guten Mix aus jungen und erfahrenen Spielerinnen. Die SGS ist ein sehr familiärer und offener Verein, was es einem leicht macht sich ins Team zu integrieren. Und obwohl der Club keine Unterstützung von einer Männermannschaft hat (als einziges Team in der Bundesliga, Anmerk.) ist er seit 20 Jahren in der höchsten Spielklasse vertreten. Außerdem steht der Verein für die Weiterentwicklung junger Spielerinnen, was mir ein großes Anliegen ist. Lena Oberdorf und Lea Schüller sind nur zwei Namen von vielen, die ihre Ausbildung in jungen Jahren bei der SGS genossen haben.
Wie schauen deine persönlichen Ziele aus?
Besonders wichtig ist mir, dass ich mich schnell einlebe und mich wohl fühle. Sportlich will ich mich immer weiterentwickeln. Die Trainingsqualität und Intensität wird bestimmt eine höhere als in Österreich sein. Für mich persönlich hoffe ich, dass ich so viel Spielpraxis wie möglich bekomme. Mit dem Verein wollen wir in der Liga bleiben und zeigen, dass wir auch die „Großen“ ärgern können.
Mehr als 750 Kilometer liegen zwischen Zirl und deiner neuen sportlichen Heimat. Hast du keine Angst vor „Heimweh“ oder einem „Kulturschock“?
Natürlich gehen einem die Familie und Freunde ab. Aber Angst vor Heimweh habe ich nicht. Seitdem ich 14 bin, wohne ich nicht mehr in Zirl. Also bin ich es gewohnt, nicht oft in der Heimat zu sein. Ich glaube, wenn das Umfeld passt, kann man sich in jedem Ort wohl fühlen. Die Natur und die Berge von Tirol werde ich trotzdem sehr vermissen.
Du warst zuletzt bei Sturm Graz engagiert. Wie fällt ein Blick zurück aus?
Die letzten zwei Jahre waren sehr durchwachsen. In der ersten Saison, in meinem Matura-Jahr, war ich in St. Pölten in der Schule. Ich musste immer Freitags nach der Schule nach Graz pendeln, um das Abschlusstraining mit dem Verein absolvieren zu können. Und am Sonntag ging es wieder zurück. Das war schon stressig. Im April 2022 erlitt ich dann einen Kreuzbandriss und war neun Monate außer Gefecht, ehe ich in der Rückrunde 2023 wieder den Spielbetrieb aufnehmen konnte. Die letzte Saison in Graz hat mich sowohl als Mensch, als auch als Fußballerin sehr geprägt.
Mit sechs Treffern in nur neun Spielen hast du einen wesentlichen Beitrag zur Vize-Meisterschaft geleistet. Bei der Wahl zur Spielerin der Saison bist du auf Rang drei gelandet.
Ich muss ehrlich sagen, dass ich auf solche Auszeichnungen keinen großen Wert lege. Natürlich freut es einen, vor allem nach der Verletzungspause. Gemeinsam als Team zu performen und zusammen Erfolge zu feiern ist für mich aber das Wichtigste. Über den Vizemeistertitel freue ich mich besonders, da meine nun ehemaligen Mitspielerinnen nächste Saison die Chance haben, sich in der Champions-League zu zeigen.
Wie würdest du selbst die Spielerin Lilli Purtscheller charakterisieren?
Ich glaube, dass ich eine sehr ehrgeizige Spielerin bin, die sich immer weiterentwickeln will und in jedem Training 100 Prozent gibt. Ich zeige große Einsatzbereitschaft und bin eine echte Team-Playerin. Zu meiner größten fußballerischen Qualität zählt bestimmt das Eins-gegen-Eins. Zudem bin ich mit einer gewissen Grundtechnik ausgestattet und traue mich oft in Dribblings zu gehen.
Wer sind deine fußballerischen Vorbilder?
Zum einem Cristiano Ronaldo und zum anderen Alexia Putellas. Seitdem ich Fußball spiele, ist Ronaldo mein Idol. Er ist ein ganz anderer Spielertyp als ich, aber sein Mindset hat mich immer schon inspiriert. Alexia Putellas (spanische Teamspielerin beim FC Barcelona, Anmerk.) ist meiner Meinung nach eine sehr komplette Fußballerin und man kann sich viel von ihr abschauen.
Im April hast du dein Debüt im Teamtrikot gegeben, bist auch am Dienstag gegen Island mit von der Partie. Was sind deine Ziele im bzw. mit dem Nationalteam?
Mein Ziel ist es, mich immer für die Nationalmannschaft zu empfehlen und zu den zukünftigen Lehrgängen eingeladen zu werden. In den nächsten Jahren will ich ein fester Bestandteil des Teams werden und Spielminuten sammeln. Und natürlich ist die Qualifikation für die Europameisterschaft 2025 in der Schweiz ein großes Ziel.
Die kommende Weltmeisterschaft findet ohne österreichische Beteiligung statt. Was erwartest du dir von dieser WM bzw. wer sind deine Favoritinnen.
Ich erwarte mir Spiele mit hoher Qualität und vielen Zuschauern. Die hätte sich der Frauenfußball verdient. Ich bin mir sicher, dass die WM zeigen wird, wie sehr sich der Frauenfußball stets weiterentwickelt. Favoriten habe ich nicht wirklich einen. Aber der spanische Fußball und die Art wie dort gespielt wird bewundere ich schon sehr.
Letzte Frage: In Zirl hast du deine ersten Fußballschuhe zerrissen. Wie wichtig waren speziell diese ersten Jahre?
Im Nachhinein betrachtet waren sie bestimmt ein großer Mehrwert. Ich spielte bei Zirl immer mit Jungs, was meiner Meinung nach in der Kindheit sehr wichtig ist, da Burschen einfach schneller und physischer Fußball spielen. Zudem hatten wir immer Trainer, die uns die Freiheit gegeben haben, uns zu entwickeln. Obwohl die Zeit in Zirl jetzt doch schon einige Jahre zurück liegt, kann ich mit Überzeugung sagen, dass der Verein mich als Fußballerin sehr geprägt hat.
Wir bedanken uns für das Gespräch.