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Überraschendes Karriereende

Mehr als 15 Jahre hat sie dem Klettersport alles untergeordnet, jetzt ist Schluss: Hannah Schubert beendet ihre Karriere als Wettkampfsportlerin. Zu ihren größten Erfolgen zählen zwei Jugend-Weltmeistertitel, ein Podestplatz im Weltcup und der Finaleinzug bei der Heim-WM 2018. Für die „Karriere danach“ hat die 25-jährige Tirolerin bereits konkrete Pläne.

Im Alter von sechs Jahren startete Schubert mit dem Klettern. Ihr großes Talent wurde schnell entdeckt, diverse Nachwuchs-Bewerbe konnte sie für sich entscheiden. Bereits 2011 folgte der erste internationale Auftritt bei einem Jugend-Europacup, das erste große Karriere-Highlight dann ein Jahr später: Gold bei der Jugend-WM in Singapur (SIN) im Vorstieg. Ein Gold-Coup, der ihr 2014 in Nouméa/Neukaledonien (FRA) erneut gelingen sollte. 2016 schaffte Schubert es in Kranj (SLO) erstmals ins Weltcup-Finale, die viertgrößte Stadt Sloweniens sollte ein gutes Pflaster bleiben: 2018 schaffte sie es dort als Dritte auf das Weltcup-Podium. Ein weiteres großes Highlight: Der Finaleinzug und Platz acht bei der Heim-WM 2018 in Innsbruck.

„Die größten Erfolge bleiben natürlich im Gedächtnis. Darauf arbeitet man jahrelang hin, steht stundenlang in der Kletterhalle. Der Moment, wenn es im Wettkampf aufgeht, ist unvergleichbar. Aber genauso bleiben zahlreiche andere Dinge in Erinnerung. Ich durfte durch den Sport Menschen kennenlernen, habe Freunde gefunden und habe spannende Orte gesehen“, erinnert sich Schubert.

„Hundertprozentiger Fokus fehlt“

In den vergangenen Jahren blieben die großen Erfolge aus. Ein Mitgrund, warum Schubert ihre Karriere nun beendet. Denn für sie gilt: Ganz oder gar nicht. „Es war ein langer Prozess, die Entscheidung ist nicht von heute auf morgen gefallen. Ich habe mir bewusst viel Zeit gelassen, aber es hat sich bereits angebahnt. Es hatte auch mit der Pandemie zu tun, in dieser Zeit musste man sich anders beschäftigen, es fanden kaum Wettkämpfe statt – da haben die Überlegungen begonnen. Danach war der hundertprozentige Fokus nicht mehr da, ich habe die Zeit mit Freunden vermisst, wollte andere Sportarten ausüben. Leistungssport ist mega und gibt einem viel, ist aber auch sehr anspruchsvoll. Man muss das ganze Leben darauf ausrichten und Opfer bringen. Das ist okay und gehört dazu, man ist einfach eingeschränkt. Fast 16 Jahre lang hatte ich dabei ein gutes Gefühl, das war okay für mich. Jetzt will ich diesen Weg nicht mehr gehen.“

Gegen Ende des vergangenen Jahres sei sie sich bereits so gut wie sicher gewesen. Der letzte Schritt, das Karriereende tatsächlich zu verkünden, sei kein leichter gewesen. „Einige Leute haben mitbekommen, dass ich nicht mehr leistungsmäßig trainiere. Dennoch war ich fünfmal pro Woche in der Kletterhalle, weil ich diesen Sport einfach liebe. Viele haben sich gefragt, wie es weitergeht – ich wollte niemanden hinhalten.“

Tabuthema Gewicht

Nach ihren großen Triumphen in der Jugend folgten die ersten Erfolge im Erwachsenenbereich. Der Übergang vom Nachwuchs in den Weltcup gilt im Klettern als besonders hart. „Ich denke, dass ich das noch ganz gut gemeistert habe“, erklärt Schubert. „In meiner Karriere ist es lange nach oben gegangen, ich bin von Jahr zu Jahr besser geworden. Nach meiner besten Saison 2018 hatte ich eine schwierige Phase. Das war auch mental keine leichte Situation.“

Dazu kam eine Essstörung. „Mehr Gewicht ist im Klettern leider schlecht“, kann Schubert über das „Tabuthema“ sprechen. „Intern ist das Gewicht ein großes Thema, nach außen weniger. Einige Mädels haben große Probleme damit, man merkt das schon in der Jugend. Ich sehe das jetzt im Rückblick: Wenn jemand erfolgreich ist, macht man ihm oder ihr alles nach, bis hin zu den Essgewohnheiten. Das ist schade, weil es ungesund für die Athletinnen und schlecht für den Sport ist. Es ist generell etwas besser geworden, aber es gibt noch einiges zu tun.“

Großer Bruder, große Bürde

Der Klettersport habe sich in den letzten 15 Jahren enorm weiterentwickelt. „Als ich gestartet bin, gab es keine Boulder-Bewerbe in der Jugend. Das ist heute undenkbar. Der Style hat sich generell verändert, früher waren es viele kleine Griffe, jetzt sieht man fast immer große Volumen und dynamische Bewegungen. Die Medienpräsenz ist viel mehr geworden, jeder kennt unsere Sportart – früher musste man das öfter erklären.“

Einen wesentlichen Teil zur „Aufklärungsarbeit“ leistete die Familie Schubert. Bruder Jakob sorgte mit seinen internationalen Erfolgen für viel Aufmerksamkeit. Die Rolle als Schwester des vierfachen Weltmeisters und Olympia-Bronzemedaillengewinners sei nicht immer leicht gewesen. „Ich habe mich immer ehrlich und herzlich mit ihm gefreut, wir haben ein super Verhältnis. Ich hatte nie Vorbilder bei den Frauen, es war immer Jakob. Ich habe bei ihm alles mitbekommen, war hautnah dabei und wusste, wie viel er investiert. Natürlich war ich immer seine Schwester, selten die Hannah. In Zeitungsberichten war immer die Rede davon – es war nicht schlimm, aber manchmal hätte ich mir gewünscht, einfach Hannah zu sein.“

Dem Klettersport bleibt Schubert erhalten, nicht nur als Fan ihres Bruders. „Ich liebe diesen Sport und werde weiterhin oft in der Kletterhalle sein“, so die Innsbruckerin. Ihren Bachelor in Erziehungswissenschaften hat sie erfolgreich abgeschlossen, im September startet sie noch ein Studium in Soziale Arbeit. Zuvor verabschiedet sich Schubert für drei Monate nach Ghana, wo sie als Volunteer mit Kindern arbeitet. „Das Wettkampf-Klettern war eine spannende Zeit, für die ich sehr dankbar bin. Fad wird mir in Zukunft aber sicher nicht.“

Foto: KVÖ

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