Der lange Weg zurück

Oberperfuss und der alpine Schi-Weltcup, das passt einfach. Während Speed-Spezialistin Stephanie Venier seit 2014 fixer Bestandteil des Weltcup-Zirkus ist, bestritt Technikerin Bernadette Lorenz nach langer Verletzungspause heuer ihre Weltcuprennen zwei bis neun. Wie groß der Unterschied zwischen Europacup und Weltcup ist, und wie die Ziele für die kommende Saison aussehen, verriet die 23-Jährige im Gespräch mit sportszene.tirol.

Berni, nach fast zweijähriger Verletzungspause bist du im November in den Schizirkus zurückgekehrt. Wie schwer war der Weg zurück?

Es war schon ein langer Weg. Ich habe nie daran gezweifelt, dass ich wieder zurückzukommen kann und will, das hat motivationsmäßig sehr geholfen. Körperlich verlief die Reha sehr nach Wunsch, die größere Herausforderung liegt sicher im mentalen Bereich. Ich habe gelernt mehr auf den Körper zu hören und das braucht eben seine Zeit, viel Geduld und ein Umfeld, das dich in jeder Phase unterstützt und an dich glaubt. Dafür bin ich unheimlich dankbar.

Du hast heuer 29 Rennen bestritten. Wie gut tun bzw. schlauchen so viele Rennkilometer?

Nach so langer Rennpause bin ich sehr froh alle diese Rennen als Erfahrungswerte mitzunehmen. Man muss Prioritäten setzen, damit du nicht in einen Strudel hineinrutschst und die Erholung dazwischen zu wenig wird. Zwei Disziplinen, Weltcup und Europacup zu kombinieren ist eine Herausforderung. Natürlich merkt man am Saisonende, dass der Körper und Kopf leer sind. Trotzdem bin ich zufrieden, gesund und fit die Saison beendet zu haben. Das ist nicht selbstverständlich.

Dein letztes Rennen war ein Slalom bei den österreichischen Meisterschaften am Glungezer. Wie zufrieden warst du mit Platz fünf?

Nicht ganz, eine Medaille wäre auf jeden Fall das Ziel gewesen. Auf einem flachen Gelände und Frühjahrsschnee wie diesem schnell zu sein, da muss ich für die Zukunft noch ein bisschen üben (lacht). Um an die Weltspitze heranzukommen, muss man alles können, da weiß ich auch, was noch zu tun ist.

Wie fällt grundsätzlich ein Saison-Resümee aus?

Unterm Strich bin ich sehr zufrieden. Ich habe sehr viel gelernt und in vielen Bereichen einen Schritt nach vorn gemacht, egal ob menschlich, materialmäßig aber auch schitechnisch. Natürlich hatte ich mir höhere Ziele gesteckt, jedoch soll man langfristig denken und darf auch die Vorgeschichte nicht ganz vergessen. Oft waren es Kleinigkeiten, die mir für hundertprozentiges Selbstvertrauen gefehlt haben. Die paar Hundertstel in die Top 30 im Weltcup oder einfach blöde Fehler, die das nötige Punkten verhindern. Doch wie gesagt, es waren sehr viel mehr positive Dinge dabei, wie die Ergebnisse alleine widerspiegeln.

Was war dein persönliches „Saison-Highlight“?

Es gab wirklich sehr viele unglaublich coole, und wertvolle Momente. Eigentlich denke ich am liebsten an das erste Rennen in Levi zurück. Diese Vorfreude im Starthaus und gleichzeitig Zufriedenheit den Weg zurück geschafft zu haben, war genial. Mein Gefühl hat mich bestätigt, dass ich da hingehöre, und ich freue mich, auf alles was kommt.

Im Dezember 2018 hast du am Semmering dein Weltcup-Debüt gefeiert. In der laufenden Saison sind weitere acht Starts dazugekommen. Was unterscheidet Starts im Weltcup von FIS- oder Europacuprennen?

Ein anderes Bauchkribbeln kommt schon hoch. Es ist anfangs nicht selbstverständlich, dass man mitten unter den Mädels, die vor einigen Jahren noch Vorbilder aus dem Fernseher waren, ist. Wie etwa beim Aufwärmen, Einfahren im Team-Hospitality oder im Hotel. Auch die Medien sind was neues, aber man gewöhnt sich dran und schlussendlich, wenn du hinter der Startstange stehst, gilt, egal bei welchen Rennen das gleiche: „Fahr so schnell du kannst‘ (lacht).

Noch hat es nicht zu ersten Weltcuppunkten gelangt. Was fehlt deiner Meinung nach noch auf die Top 30?

Es sind oft nur Kleinigkeiten. Das nötige Selbstvertrauen, Dinge im Materialbereich oder bessere FIS-Punkte für eine bessere Startnummer. Schitechnisch habe ich sicherlich, was die Linie und die letzte Frechheit den Schi mehr freizugeben betrifft, am meisten Luft nach oben. Zeit und Motivation habe ich jedenfalls genug, um diese Dinge in der Sommer-Vorbereitung auszumerzen.

Katharina Liensberger hat im Slalom heuer alles in Grund und Boden gefahren. Wie sehr kann man von von einer Top-Läuferin im eigenen Team profitieren?

Ich finde es bewundernswert wie professionell und zu 100 Prozent zielorientiert sie arbeitet. Sie geht ihren ganz eigenen Weg und zeigt was mit Wille und Fleiß möglich ist. Trotz aller Erfolge kommt sie auch auf Mädels wie mich zu und gibt Infos und Ratschläge. Rein schitechnisch hat sie das Slalomfahren, speziell was die enge Linienwahl betrifft, absolut auf ein neues Niveau gepusht. Da kann ich mir persönlich noch sehr viel abschauen.

Du fährst sowohl Slalom als auch Riesentorlauf. Gibt`s eine Lieblingsdisziplin?

Auch wenn ich zur Zeit im Slalom einen Schritt voraus bin, ist und bleibt der Riesenslalom wohl meine Lieblingsdisziplin. Es ist der Grundschwung, von dem alles ausgeht. Das Gefühl den Riesenslalomschwung perfekt zu treffen und den Radius auf Zug zu halten, ist einfach genial.

Genial wäre wohl auch eine Teilnahme an Olympia 2022 oder an der Weltmeisterschaft 2023. Wie schauen deine Ziele für die Zukunft aus?

Ich bin kein Fan von datumsorientierten Zielen. Wenn ich jeden einzelnen Tag nutze so wie ich mir das vorstelle, ist sicher einiges möglich. Natürlich sind Großereignisse eine Zusatzmotivation, jedoch heißt es sich in erster Linie schitechnisch weiterzuentwickeln. Wenn das passiert bin ich mir sicher, dass sich alles weitere im positiven Sinn von selbst regelt.

Wann startet die Vorbereitung auf die neue Saison?

Die hat im Grunde bereits begonnen. Ein paar Schitests stehen noch an und die super Bedingungen auf Schnee, werden wir jetzt auf jeden Fall noch nutzen. Danach heißt es ein paar Wochen abschalten und dann geht`s mit dem Konditionstraining auch schon wieder weiter.

Worauf freust du dich nach einer so langen Saison besonders?

Sonne tanken, Freunde treffen, den Kopf frei bekommen und richtig Energie sammeln für alles, was kommt. Einfach die Zeit daheim genießen und alles ein bisschen sacken lassen.

Wir bedanken uns für das Gespräch!

In der laufenden Saison bereits regelmäßig im Weltcup-Einsatz: die Oberperferin Bernadette Lorenz. Foto: Lorenz

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